Angekommen – Abgereiset

Ziellos? Reiseziellos!

Wann gab’s dies das letzte Mal? Der folder für die Reiseunterlagen (Zug-, Flugtickets, etc.) ist leer! Vermutlich ein einmaliger Zustand innerhalb der letzten 10 Jahre. Das ständige Hin und Her aller in überfüllten Zügen und mit zu billig verkauften Flügen hat ja im Endeffekt das Reisen massiv abgewertet. Ja, 1828! Da konnte man noch punkten mit Reisetätigkeit! Darum gab’s in der Wiener Zeitung auch die Sparten “Angekommen” und “Abgereiset”, und zwar relativ tagesaktuell! Der einfache Schustergeselle aus dem Umland wurde da freilich nicht vermerkt, man musste schon Gräfin, Fürst oder Baron sein, oder zumindest ein Englischer Edelmann (der reiste allerdings auch nur ins damals schon todlangweilige – und auch noch ohne “5-Sterne-Flughafen” ausgestattete – “M”, um profane Geschäfte in Wurst&Bier zu machen, und nicht etwa nach Mailand, Florenz oder Warschau). Die Reisezeit war natürlich ungleich länger, dafür konnte man mal in Ruhe alle internationalen Tageszeitungen der letzten Woche lesen, zwei Kisterln Cheval Blanc 1801er waren auch im Handgepäck, und die eine oder andere Obszönität wird wohl auch stattgefunden haben im Fond der Kutsche (Einhorn-getriebene Zeppeline waren damals noch sehr selten und wirklich nur der absoluten Royalität vorbehalten). Wenn man Glück hatte gab’s eine Räuberei im Wald und man wurde gratis noch ein bissl ausgegriffen von einem reschen friulischen Räuber-trainee. Eigentlich ideale Zustände, und nach einem kurzen (32 Jahre) erfüllten und spannenden Leben mit wenigen dafür aber bedeutungsvollen Reisen ist man dann mit einem Achtl Gemischtem Satz in der Hand im illustren Freundeskreis (Künstler, Nutten, Baronessen, Studenten, kunstsinnige Bäckersgesellen, etc.) während eines Hauskonzerts am Nervenfieber verstorben (siehe rechte Spalte ganz oben). Wahlweise auch an der Auszehrung oder am Gedärmbrand.

Ich bin jedenfalls dafür jetzt “angekommener In- und Ausländer” zu sein und zunächst nirgends hinzureisen – sollen doch die Barone, Gräfinnen, Oberst-Lieutnante, Ritter, Knappen und Freyherren nach Berlin angereyset kommen (machen die ohnedies)! Ich leg’ mir jetzt an Schubert auf …

Wiener Zeitung 19./25.11.1828 – zum Vergrößern Rechtsclick, Grafik anzeigen, dann zoomen …

2 thoughts on “Angekommen – Abgereiset”

  1. Danke dir für die früh morgendliche Reise. Immerhin komme ich beim Zeitreisen herum.

    Dass da unter den Toten der Franz Schuberth vermerkt ist, ist dir aufgefallen?

    Die Todesursachen sind jedenfalls auch eine Entzifferung wert. „Beim Durchbruch der Zähne“ – klingt schmerzhaft, aber tödlich?

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